Was versteht man unter Zahn- und Kieferverletzungen?
Bei der Katze sind häufig Zahnschäden feststellbar, die zum Verlust von Teilen oder sogar der gesamten Zahnkrone führen. Im Gegensatz zu Hunden sind solche Schäden aber bei der Katze in einem weit geringeren Teil durch traumatische Situationen verursacht. In einer Vielzahl von Fällen sind die Zähne zuvor durch zahnauflösende Erkrankungen geschwächt worden, so das sie bei den geringsten Belastungen zersplittern. Die Thematik dieser Erkrankungen wird unter der Seite „FORL – Katzenkaries“ beschrieben. Auf der vorliegenden Seite werden ausschliesslich Zahn- und Kieferverletzungen mit rein traumatische Ursache dargestellt.
Die Zähne sind im täglichen Leben vielfältigen Belastungen ausgesetzt, die in bestimmten Situationen die Stabilität des Zahnes überfordern und so zu Schäden führen können. So kann zum Beispiel das Aufbeissen auf einen harten Gegenstand ebenso zum Abbrechen der Zahnkronen führen wie das Aneinanderschlagen von Zähnen während einer Beißerei. Die Hauptursache ist jedoch ein Sturz, bei dem die Katze mit den Zahnkronen auf eine harte Unterlage aufschägt. Dabei ist es nicht unbedingt nötig, das die Katze aus einer sehr große Höhe abstürzt. Gerade bei Stürzen mit einer geringen Tiefe kann es passieren, das die Katze nicht genug Zeit hat sich in der Luft zu drehen und mit den Füßen den Sturz abzufangen, sondern seitlich oder mit dem Kopf voran auftrifft. Bei Stürzen aus großen Höhen hat die Katze genug Zeit, sich im Fallen zu drehen und mit den Beinen zuerst aufzukommen. Dabei kann es aber vorkommen, das die Aufprallgeschwindigkeit so hoch ist, das die Katze beim abfedern weit in den Beinen einknickt. Der Köper und vor allem der Kopf können so bis auf den Boden durchschlagen. Durch diesen Aufprall können sowohl die Zähne abbrechen als auch der Gaumen im Oberkiefer oder die Verbindungsstelle der Unterkiefer im Kinnbereich aufgesprengt werden
Im folgenden werden die häufigsten Schäden und Verletzungen der Zähne und der Kiefer erläutert
Kronenfraktur
Unter einer Kronenfraktur versteht man den Bruch der Zahnkrone, wobei ein Teil der Zahnkrone verloren geht. Im
einfachsten Fall ist nur ein geringer Teil der Krone geschädigt und die Wurzelhöhle ist nicht eröffnet worden. Die Erstversorgung dieser Verletzung besteht in der Glättung scharfer Bruchkanten und der Versiegelung der Bruchfläche.
Durch das Zahnbein führen kleine Kanälchen bis zur Wurzelhöhle, durch die sonst Bakterien von der Bruchfläche bis in die Wurzelhöhle eindringen und dort zu Entzündungen führen können. Diese Gefahr ist bei jugendlichen Zähnen besonders hoch, da die Wurzelhöhle noch sehr groß ist und sich erst mit zunehmendem Alter verkleinert.
Die betroffenen Tiere zeigen nicht zwangsläufig eine Schmerzreaktion, manchmal werden solche Verletzungen erst durch Zufall entdeckt, z.B. bei einer Impfuntersuchung. Manche Tiere zeigen jedoch auch durch ein verändertes Verhalten eine solche Verletzung an, zum Beispiel durch vermehrtes Lecken, Reiben der Pfote über das Maul, Speicheln und Unlust zu Kauen
Ist ein größerer Teil der Zahnkrone abgebrochen kann die Wurzelhöhle eröffnet sein. Dann liegt das weiche Wurzelgewebe frei und es kommt zu Blutungen aus der Wurzelhöhle. Diese müssen jedoch nicht immer vom Besitzer bemerkt werden, da die Tiere das Blut weglecken. Da jetzt auch der Nerv ungeschützt der Umwelt ausgeliefert ist, kommt es zu Schmerzreaktionen. Bakterien aus dem Maulbereich können ungehindert in die Wurzelhöhle gelangen und dort zu Infektionen und Entzündungen führen, die die Zahnwurzel zum Absterben bringen. Zu beachten ist dabei, das die Wurzelhöhle eine direkte Verbindung in den Kieferknochen darstellt. Bakterien können also über den offenen Zahn bis in den Knochen gelangen und dort schwerwiegende Schäden anrichten. Handelt es sich bei dem abgebrochenen Zahn um einen Milchzahn, sollte das nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Auch wenn der Milchzahn in absehbarer Zeit im Zuge des Zahnwechsel sowieso ausfällt, muß man bedenken das sich der neue, bleibende Zahn im Bereich der Wurzelspitze gerade bildet! Gelangen Bakterien in die offene Milchzahnwurzel, können sie sich leicht bis in die Wurzelspitze ausbreiten und von dort den Knochen und auch den Zahnkeim des neuen Zahnes befallen. Bleibende Schäden an dem neuen Zahn sind so vorprogrammiert. Eine solche Verletzung ist ein Notfall und sollte so schnell wie möglich behandelt werden. Je nach Schwere der Wurzelschädigung kann dann eine Plombierung oder eine Wurzelfüllung durchgeführt werden. Ist die Wurzel oder der umgebende Knochen jedoch bereits zu schwer beschädigt, kann auch die Entfernung des Zahnes notwendig sein. Ein abgebrochener Milchzahn wird in der Regel gezogen. Ist die akute Gefahr für den Zahn durch Behandlung abgewendet, kann zu einem späteren Zeitpunkt auch ein Kronenaufbau durchgeführt werden.
Kronenfraktur des rechten Oberkieferfangzahn mit Eröffnung der Wurzelhöhle. Zusätzlich lag eine ausgeprägte Auflösung des Zahnbein von der Wurzelhöhle her vor. Aufgrund der extrem dünnen Wandstärke des verbliebenen Zahnbein war eine Füllungstherapie bei diesem Patienten nicht möglich. Der Zahn musste entfernt werden.
Der gleiche Patient in der Ansicht von der Seite. Die leichte Schwellung im Wurzelbereich ist Ausdruck der bereits fortgeschrittenen entzündlichen Komponenete dieses Schaden
Wurzelfraktur
Bei einer Wurzelfraktur befindet sich die Bruchlinie tiefer am Zahn und verläuft oft nicht direkt sichtbar im Wurzelbereich des Zahnes, der im Kieferknochen verborgen ist. Dabei muß die Zahnkrone nicht zwingend verloren gehen, da sie von dem Teil des Zahnhalteapprates, der sich oberhalb der Bruchlinie befindet noch gehalten werden kann.
Die Krone ist aber meistens instabil und läßt sich leicht bewegen oder sogar mit den Fingern entfernen. In diesen Fällen ist die Entfernung des Zahnes das Mittel der Wahl. Die Wurzel muß dabei ausgegraben werden, eventuell ist es dafür notwendig, den Knochen von der Seite operativ zu eröffnen. Unbehandelt kann eine im Kieferknochen verbliebene Wurzel auch in der Folge zu entzündlichen Prozessen mit Knochenschäden führen.
In einzelnen Fällen kann eine Wurzel im Kiefer verbleiben und wird einer Wurzelfüllungstherapie unterzogen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Wurzel für den Aufbau einer Stiftkrone Verwendung finden soll.
Kieferverletzungen
Bei Unfällen erleiden Katzen häufig Verletzungen im Kopfbereich, die sich in Frakturen der Kieferknochen wiederspiegeln. Solche Verletzungen sind teilweise nicht von aussen sichtbar und können von den Besitzern nur schwer entdeckt werden. Oftmals ist eine gestörte Futteraufnahme die einzige Symptomatik, die von den Besitzren bemerkt wird.
Sprengungsfraktur des Gaumen
Dies ist eine typische Verletzung nach einem Sturz aus größerer Höhe. Die Katze kam nach einem Fenstersturz zwar mit den Pfoten voran auf, konnte aber die Wucht des Aufpralles nicht abfedern und schlug mit dem Kinn auf dem Boden auf. Durch die Wucht des Aufpralles wurde der Unterkiefer gegen den Oberkiefer gedrückt, wobei dieser in der Mitte auseinander gesprengt wurde. Durch das Auseinanderweichen der Oberkieferknochen wurde das Gaumengewebe zerissen. Dies ist als Spalt in der Mitte des Gaumens sichtbar
Nach der Operation
Um die auseinandergesprengten Oberkieferknochen wieder anzunähern und zu fixieren wurde eine Drahtcerclage im Bereich der Oberkieferreißzähne angelegt. Die Knochenteile werden so zusammengedrückt und können miteinandner verwachsen. Das Weichteilgewebe des Gaumens wurde vernnäht.
Vier Wochen nach der Operation
Die selbst auflösenden Fäden der Gaumenanht sind bereits verschwunden, das Weichteilgewebe ist verheilt. Die Drahtcerclage sitzt ohne größere erkennbare Schäden des Weichteilgewebe an Ihrem Platz. Die Röntgenkontrolle ergab eine abgeschlossene Heilung des Kieferknochen, so dass die Drahtcerclage entfernt werden konnte.
Nach der Drahtcerclagenentfernung
Der Cerclagedraht ist entfernt worden. An den Kontaktstellen des Drahtes mit dem Weichteilgewebe sind geringgradige Druckstellen erkennbar, die innerhalb weniger Tage spontan abheilen.
Vor der Operation
Dieser Kater hat bei einem Autounfall vor zwei Jahren schwere Kopfverletzungen davongetragen. Neben dem Verlust des linken Auges ist das linke Kiefergelenk zerstört worden. Eine notwendige medizinische Versorgung ist seinerzeit nicht durchgeführt worden. Der Kater hat nach dem Unfall 1 Jahr in einem spanischen Tierheim verbracht.
Das Gelenk des linken Unterkiefer ist durch arthrotische Knochenzubildungen fest mit dem Oberkiefer verwachsen. Das Bild zeigt den maximalen Öffnungsgrad des Maules! In den letzten zwei Jahren konnte der Kater nur mit flüssiger oder breiartiger Nahrung versorgt werden.
Nach der Operation
Der linke Unterkiefer ist operativ entfernt worden. Dazu wurde der Knochen im Bereich des Kiefergelenkes abgesetzt. Trotz der zweijährigen mangelnden Bewegung der Kiefermuskulatur und des daraus resultienden Muskleabbau konnte der Patient unmittelbar nach der Operation das Maul wieder weit öffnen. Bereits zwei Tage nach der Operation konnte der Kater normales Katzenfutter aufnehmen und kaute sogar wieder Trockenfutter.
Nach der Operation
In der linken Seitenansicht ist die fehlende Zahnreihe des Unterkiefer erkennbar.